A. Der Anfang
A.1.Am Anfang stand das persönliche Schicksal
A.2 Hilfe durch Selbsthilfe
B. Der „Domino-Effekt“
B.1. Presse weckte großes Interesse
B.2. Aufmerksamkeit bei Behörden und Ämtern
B.3. Reaktionen Behinderter in Düsseldorf und dem Kreis Mettmann
B.4. Gründung der einzelnen Ortsvereine
C. Die Ziele und Beweggründe
C.1. Öffentlichkeitsarbeit
C.2. Aufklärungsarbeit
C.3. Hilfestellungen
C.4. Kontaktpflege
D. Der „Wellenschlag“
D.1. Zusammenarbeit mit anderen Selbsthilfegruppen
D.2. Verankerung der Behindertenrechte in Gesetzen der BRD
D.3. Unmittelbare, regionale Auswirkung
E. Rückschau und Perspektive
A. Der Anfang
Die Gründung des Vereins beruht auf der Initiative des Ehepaares Hans
und Gerti Rosendahl aus Ratingen. Geschäftsleute, die sich1953 mit einem
Feinkostgeschäft in Ratingen eine Existenz aufbauten. In den folgende
Jahren wurden noch zwei weitere Feinkostgeschäfte in Ratingen gegründet.
Die Basis für ein erfolgreiches Berufsleben schien gesichert.
A.1. Persönliches Schicksal
1965 klagte Herr Rosendahl über fortwährende Rückenschmerzen.
Ein Tumor an der Wirbelsäule wurde festgestellt. Dieser wurde durch eine
Operation entfernt. Die Operation führte allerdings zur Querschnittslähmung
des Herrn Rosendahl, der von da ab auf einen Rollstuhl angewiesen war.
Im gleichen Jahr erkrankte seine Frau Gerti an MS (Multipler Sklerose) und
war nun auch auf einen Rollstuhl angewiesen.
In diesem Jahr hatte sich also das sorglos geglaubte Leben des Ehepaares radikal
verändert.
A.2. Hilfe durch Selbsthilfe
Nun ergaben sich Probleme. Angefangen, dass man nicht mehr in gewohnter Weise
auf das Auto zurückgreifen konnte, es wurden auch bauliche Maßnahmen
im Eigenheim notwendig, z.B. durch den Einbau eines Aufzuges. Die eigenen
Geschäfte mussten fortgeführt werden.
Statt an dem Schicksal zu scheitern, machte sich das Ehepaar Schritt für
Schritt an die Meisterung der neuen Lebenssituation. In den kommenden Jahren
wurden die Barrieren, die sich für Rollstuhlfahrer damals ergaben, überdeutlich.
Barrieren ergaben sich in privaten und öffentlichen Bauten, die nicht
rollstuhlgerecht waren, in der Unbenutzbarkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln,
in Barrieren, die sich im Straßenverkehr ergaben, aber auch in Barrieren,
die in den Gedanken vieler Mitmenschen verhaftet waren.
Dies zunächst im eigenen Interesse zu verdeutlichen und für sich
diese Barrieren zu beseitigen, machte sich das Ehepaar Rosendahl zur Aufgabe.
B. Der „Domino-Effekt“
Bedingt durch die guten Kontakte zur ortsansässigen Presse schilderte
Herr Rosendahl öfters über die Problematik der Rollstuhlfahrer im
Alltag. Die Presse half, diese Problematik bewusst zu machen und berichtete
meistens ausführlich.
B.1. Presse weckte großes Interesse
Bis in die Siebziger Jahre war das Bewusstsein der Öffentlichkeit für
Behinderte und deren Belange nicht sehr entwickelt. Meist betrachtete man die
Behinderten als „bedauernswerte Exoten“, berichtete über Schicksalsschläge
nur am Rande, meist in reißerischer und mitleiderregender Form.
Doch durch die konsequente Berichterstattung über Behinderte und deren
Problematik am öffentlichen Leben teilzunehmen wurde durch die Medien
eine neue Sensibilität erreicht.
Langsam wurde der Bevölkerung bewusst, dass auch Behinderte Rechte haben,
die jeder andere Bürger für sich in Anspruch nehmen konnte. Behinderte
wurden selbstverständlicher Teil der Allgemeinbevölkerung.
B.2. Aufmerksamkeit der Behörden und Ämter
So wurden in den kommenden Jahren auch Behörden und Ämter auf die
Belange der Behinderten aufmerksam. Herr Rosendahl wurde immer öfter bei
der Planung öffentlicher Bauten hinzugezogen (Messe Düsseldorf ,
VHS –Ratingen u.a.).
B.3. Reaktionen Behinderter in Düsseldorf und dem Kreis Mettmann
Bedingt durch die Sensibilisierung der Behindertenprobleme und die Berichterstattung
darüber in den Medien meldeten sich immer mehr Behinderte in den kommenden
Monaten bei Herrn Rosendahl.
Behinderte schilderten ihre vielfältigen Bedürfnisse und Befürchtungen.
Sie suchten Rat, tatkräftige Unterstützung und Hilfestellungen für
die Bewältigung ihres Alltages. Sie suchten und fanden eine Anlauf- und
Informationsstelle.
Um diesem Interesse Rechnung zu tragen und den Problemen auch ein „formales
Gehör“ zu verschaffen, war es nur folgerichtig, einen gemeinnützigen
Verein zu gründen.
So entstand der „Freundeskreis für Rollstuhlfahrer, gemeinn. e.V.
für Düsseldorf und Kreis Mettmann“ im Jahr 1973.
B.4. Gründung einzelner Ortsvereine
Bis Ende der 80 Jahre wuchs die Zahl der interessierten Behinderten, die sich
in einem Verein zusammenschließen wollten, derart stark an, dass es sinnvoll
wurde, einzelne Ortsvereine zu gründen. Dies geschah mit tatkräftiger
Unterstützung des Herrn Rosendahl.
So entstanden die Ortsvereine: Velbert, Heiligenhaus, Mettmann, Monheim, Langenfeld,
Hilden, Haan, Erkrath.
Mit zusammen mehr als eintausend Mitglieder – Behinderte und Nichtbehinderte.
Darüber hinaus entstanden weitere Ortsvereine, unter anderem auch in Dormagen,
Neuss, Viersen und anderen Städten der BRD.
C. Die Ziele und Beweggründe
All die oben erwähnten Vereine haben mehr oder weniger die Ziele und Beweggründe des „Freundeskreis für Rollstuhlfahrer gemeinn. e.V. – Düsseldorf und Kreis Mettmann übernommen.
Der Verein befasst sich hauptsächlich mit den Problemen der Gehbehinderten,
Gehunfähigen und der Rollstuhlfahrer.
Ziel ist es, das Selbstwertgefühl des Behinderten zu wecken und zu stärken – Anerkennung
der Behinderten als gleichberechtigte Partner in unserer Gesellschaft zu erreichen – den
Behinderten die Möglichkeiten zu verschaffen, aktiv am Gesellschaftsleben
teilzunehmen und sich gesellschaftlich und beruflich zu rehabilitieren.
C.1. Öffentlichkeitsarbeit
Der Verein gibt Informationen über die Situation der Behinderten und Schwerstbehinderten
um Vorurteile abzubauen und Verständnis für ihre besondere Lage zu
wecken und ein natürliches Zusammenleben zwischen Behinderten und Nichtbehinderten
zu erreichen.
Mit Hilfe der Medien wird auf Hindernisse im Alltag hingewiesen, die das Leben
der Behinderten unnötig erschweren.
C.2. Aufklärungsarbeit
Beratung und Erfahrungsaustausch mit Architekten, Bauherren und Ämtern
bei der Planung und Verwirklichung von Wohnungen, öffentlichen Gebäuden,
Straßenführungen, Verkehrsanbindungen jeder Art und der Öffentlichen
Personenbeförderung.
Das Leitmotiv: “Denkt beim Bauen an die Behinderten – nicht nur
für, sondern mit den Behinderten planen!“
C.3. Hilfestellungen
Hilfe bei der Suche nach behindertengerechten Wohnungen.
Koordination zwischen dem einzelnen Behinderten und Behörden, Verwaltungsstellen,
Fahrdiensten, Hilfsorganisationen, Gruppen und Verbänden.
Bereitstellung von Rollstühlen und anderen Hilfsmitteln.
C.4. Kontaktpflege
Organisation und Koordination von geselligen Treffen, Informationsveranstaltungen
und diversen Unternehmungen aller Vereine im Kreis Mettmann und in Düsseldorf
zur Förderung des Erfahrungsaustausches zwischen den einzelnen Mitgliedern.
Durchführung von Ausflügen mit Behinderten und Nichtbehinderten zur
Stärkung des Selbstwertgefühls und der aktiven und selbstverständlichen
Teilnahme am Gesellschaftsleben.
Erkennen und koordinieren von Gemeinsamkeiten in Bezug auf Problemstellungen
der jeweiligen Behinderungsarten ( Rollstuhlfahrer, Blinde, geistig Behinderte
u.a.)
D. Der „Wellenschlag“
In den 80 Jahren hatte der Verein einen solchen Bekanntheitsgrad erlangt,
dass der Vorstand, zunächst bestehend aus den Gründungsmitgliedern:
Hans Rosendahl und Edith Mittelstädt, erweitert werden mußte.
Hinzu kamen noch Ingeborg Rodenbeck, Ursula Müller und Peter Wessels.
Auch der Aufgabenbereich des Vereins wurde erweitert, da immer mehr andere
Organisationen auf den Erfahrungsschatz des Vereins zurückgreifen wollten
und um Mitarbeit baten.
Herr Rosendahl war nun schon seit mehreren Jahren, neben seiner Vereinstätigkeit
für den Freundeskreis für Rollstuhlfahrer, Geschäftsführer
und Mitgesellschafter des „Ferdinand – Lentjes – Haus“ in
Düsseldorf. Hierbei handelt es sich um eine behindertengerechte Wohnanlage.
Ferner arbeitete Herr Rosendahl in der Behindertensportgemeinschaft Ratingen
(Gründer des Vereins) mit und war im Vorstand des
Verein zur Förderung und Betreuung spastisch gelähmter Kinder und
anderer Körperbehinderter e.V. Düsseldorf.
D.1. Zusammenarbeit mit anderen Selbsthilfegruppen
Unter Führung des Vorstandsmitgliedes Frau Ursula Müller (>) wurde
in Düsseldorf die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen (Sehbehinderte, Blinde)
begonnen, die sich in dem Arbeitskreis Integration Behinderter „Bus und
Bahn für Alle“ formierte. Hier wurde ebenfalls auf die Erfahrungen
des Freundeskreises für Rollstuhlfahrer zurückgegriffen, da es hauptsächlich
um die Einschränkungen Behinderter bei der Nutzung des ÖPNV (öffentlicher
Personennahverkehr) ging.
D.2. Verankerung der Behindertenrechte in Gesetzen der BRD
Durch die gemeinsamen Arbeiten der Behinderten -Vereine und
-Verbände wurden dann einschlägige Gesetze erlassen:
30.06.1994 Benachteiligungsgesetz (GG Artikel, dass keiner wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf) und daraus resultierend:
01.09.2001 Gesetz für Barrierefreiheit (regelt den Anspruch von Mietern auf barrierefreies Wohnen)
01.05.2004 Gleichstellungsgesetz (regelt den Anspruch auf gleichberechtigtes
und selbstbestimmtes Leben der Behinderten)
Dies sind nur einige Meilensteine, die auch mit tatkräftiger Unterstützung
des Vereins „Freundeskreis für Rollstuhlfahrer“ erreicht werden
konnten.
D.3. Unmittelbare, regionale Auswirkung
· Fahrdienste zur Mobilitätssicherung der Behinderten
· Anschaffung von Niederflurbussen
· Bordsteinabsenkungen
· Begehbarkeit der Ämter durch den Einbau von Rampen und Aufzügen
· Hochbahnsteige an div. Haltestellen der Straßenbahnen in Düsseldorf
· Signalgebungen für Sehbehinderte an Haltestellen des ÖPNV
· Einbau von Aufzügen an verschiedenen Bahnhöfen der Deutschen
Bahn
· Einstieghilfen (mobile Rampen) am Düsseldorfer Hauptbahnhof
· Erhöhung der Bahnsteige an verschiedenen Bahnhöfen in Düsseldorf
E. Rückschau und Perspektive
Rückblickend auf die 30 jährige Vereinsgeschichte wurde viel erreicht. Die Stellung der Behinderten in unserer Gesellschaft wurde gekräftigt und normalisiert, vielen Behinderten konnte persönlich geholfen werden, Öffentlichkeitsarbeit führte zu Gesetzesänderungen.
Reine Pionierarbeit, ehrenamtlich und unermüdlich, wurde geleistet.
Durch den Rechtsanspruch, den Behinderte heute genießen, wird diese Pionierarbeit leider sehr schnell vergessen. Das liegt wahrscheinlich in der Natur der Dinge und soll keinen Anlass zur Resignation sein.
Allerdings fehlt es an „frischem Blut“ im Freundeskreis. Eine Überalterung
der Mitglieder ist auch hier wohl ein Spiegelbild der Bevölkerungsentwicklung.
In Zeiten magerer Kassen bei Land und Stadt macht sich eine gewisse Besorgnis
vor der finanziellen Zukunft der einzelnen Behinderten breit, wie es wohl auch
in anderen Teilen der Bevölkerung so ist.
So blickt der Verein zwar mit gewissem Stolz auf erreichte Ziele, die eine Gleichstellung der Behinderten in den Jahren gebracht hat, sieht sich aber dennoch aufgefordert, weiter an dem eigentlichen Leitbild des Vereins zu arbeiten:
Hilfe zur Stärkung des Selbstwertgefühls der Behinderten
Auch in Zeiten finanzieller Einschränkungen müssen und können
Wege gemeinsam gefunden werden, die ein Zusammenleben von Behinderten und Nichtbehinderten
ermöglichen.
Es wäre zu wünschen, dass daran auch wieder jüngere Menschen
mitarbeiten!
Düsseldorf im Dezember 2004
Wolfgang Müller